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Sängeralltag, Kapitel 2: Studium

Diesen Satz sage ich jetzt zum letzten Mal in meinem Leben: Ja, Gesang kann man studieren!

Wie man es studiert, ist - ihr ahnt es schon - sehr unterschiedlich. Ich habe im Verlauf meines Studiums fünf Einrichtungen erlebt, und möchte die unterschiedlichen Alltagsformen beschreiben.


Bachelor of Music

Meinen Bachelor habe ich in Freiburg im Breisgau gemacht. Dieser dauert 8 Semester, und bietet die Möglichkeit, verschiedene Profile zu wählen: Oper, Konzert und Pädagogik. Da mich alle drei Sparten sehr interessieren, habe ich in allen drei Profilen studiert.

Als Basis aller drei Sparten hatte ich Unterricht in Gesang, Korrepetition (Gestaltungsarbeit an den erarbeiteten Stücken mit einem Pianisten), Sprecherziehung, Klavier, Solfège und Rhythmus, Musikerrecht, Musiktheorie und Musikgeschichte. Jedes Semester hat man mindestens einen Vortragsabend, an dem man sich vor Publikum ausprobieren kann.


Für das Opernprofil hatte ich Schauspiel (Improvisation und kleine Dialoge), Körperarbeit (von Gyrokinesis bis Bühnenfechten), szenisches Spiel (aus Opernszenen) und ganze Opernproduktionen. Abschluss: eine Hauptpartie in einer Opernproduktion.

Im Konzertprofil hatte ich Unterricht in Lied (Duoarbeit mit einem Pianisten), Ensemblearbeit und Projekte mit Oratorien (geistliche Werke). Abschluss: ein selbst zusammengestelltes Konzert.

Für Pädagogik besuchte ich viele Seminare über Unterrichtsformen, Methodik/Didaktik, machte ein Musikschulpraktikum in den Bereichen Chorleitung und Solounterricht, und hatte regelmäßig Versuchskaninchen, an denen ich mich als Lehrerin austoben durfte. Abschluss: schriftliche Prüfung und unterrichten vor der Jury.



Auslandsemester

Gegen Ende meines Bachelors ging ich ein Semester nach London an die Royal Academy of Music. Dort hatte ich im Vergleich zu Deutschland zu meinem Erstaunen kaum Auftrittsmöglichkeiten. Ich habe hochschulinterne Wettbewerbe gemacht, um mich auf der Bühne ausprobieren zu können. Formate wie Vortragsabende gab es leider nicht.

Dafür hatte ich ein großes Angebot an Korrepetitoren: Fast jede Woche konnte ich einen neuen Dozenten kennenlernen, und alle waren sehr interessante Musikerpersönlichkeiten. Ein besonderes Highlight war für mich der Unterricht mit Jean Rigby, einer Mezzosopranistin, die ich als großes Vorbild sehe, und mit der ich die komplette Partie der Carmen einstudieren durfte.

Auch der Liedunterricht wird dort anders gestaltet: Anstatt einen Dozenten zu haben, der uns ein Mal pro Woche als Duo in allen Liedern unterrichtet, hatte ich dort Gruppenunterrichte in englischem, deutschem und französischem Lied, bei jeweils unterschiedlichen Dozenten. Neben den oben erwähnten „Basis-Unterrichten“ konnte ich noch szenisches Spiel, Schauspiel und Körperarbeit belegen.


Master Musiktheater/Operngesang

An der Theaterakademie August Everding in München verbrachte ich vier sehr intensive Semester. Diese Opernschule hat die Besonderheit, ein ganzes Theater zur Verfügung zu haben. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Prinzregententheater nur noch als Ausweichspielstätte benutzt, wenn z.B. Renovationen an anderen Münchner Häusern anstanden. August Everding hat diese Chance erkannt und eine Akademie daraus gemacht. Ich verbrachte meinen Master also in einem wunderschönen Nachbau des Richard-Wagner-Festspielhauses Bayreuth. (Das Theater hat eine interessante Geschichte: https://de.wikipedia.org/wiki/Prinzregententheater )

Jetzt aber zum Studium: Da in diesem Master der Theateralltag simuliert wird, hat man neben den „Basis-Unterrichten“ wie Gesang, Korrepetition und Lied Wochenpläne, die immer donnerstags verschickt werden. Sobald man sich in einer Produktion befindet, bekommt man die am Theater üblichen Tagespläne, die jeweils am Vortag bis 14 Uhr verschickt werden. Während einer Produktionsphase ist jeglicher Zusatzunterricht freiwillig, da man nicht immer die Energie hat, ohne Pause von 10 bis 22 Uhr zu arbeiten. In Zeiten ohne Produktion werden die Wochenpläne immer ein bisschen anders gefüllt, mit Unterrichten wie z.B. Korrepetition, Werkanalyse, Rollenanalyse, Flamenco, Feldenkrais, Yoga, Kampfsport, Sprachgestaltung, Schauspiel, Ensemblearbeit, Arienarbeit, szenisch-musikalische Darstellung, Professionalisierung (Bewerbungen & social media Präsenz), und diverse Workshops mit Regisseuren, Sängern oder Operndirektoren. Dieses Studium ist eine Vollzeitbeschäftigung von Montag bis Samstag. Eine weitere Besonderheit ist der rege Austausch mit Agenten und Direktoren, die zu den "Arien Zeigen" (Vortragsabenden) kommen und danach ein persönliches Feedback geben, sowie die Regisseure und Dirigenten, die immer von Außerhalb geholt werden, um den Studierenden ein möglichst breites Spektrum an Erfahrungen zu geben.



Master Konzertgesang

In meinem momentanen Studium an der Hochschule für Musik und Theater München geht es sehr viel ruhiger zu und her. Ich habe Gesang, Korrepetition, Lied, Oratorium und Sprachgestaltung als Basis, und muss während den vier Semestern noch credit points durch Seminare, Workshops und Einzelunterrichte sammeln. Auftrittsmöglichkeiten gibt es sehr viele. Das Studium eignet sich ideal, um nebenbei schon in den Beruf zu starten. Ich kombiniere das Studium mit Gastverträgen an Theatern und Konzertprojekten. So kann ich an meiner Technik weiterarbeiten, und die bevorstehenden Projekte mit einer großen Unterstützung vorbereiten.



Postgraduate Liedduo

An der Universität Mozarteum Salzburg studiere ich in einem brandneuen Studiengang. Meine Pianistin Rebeka Stojkoska und ich dürfen uns zu den ersten Studierenden dieses Postgraduates zählen.

Ein Postgraduate ist dazu ausgerichtet, als Weiterbildung während dem Berufsleben zu fungieren und beinhaltet nur das Hauptfach. Wir haben also 45min pro Woche Liedunterricht, und können frei entscheiden, ob wir weitere Angebote wahrnehmen wollen, oder es lieber dabei belassen wollen. Dieser Studiengang ist sehr sinnvoll, wenn man eine längerfristige Duoarbeit anstrebt und sich als Team verbessern möchte. Auftrittsmöglichkeiten gibt es auch hier grundsätzlich ein Mal pro Semester. 



 

Trotz Bologna-System hat jede Hochschule ihren eigenen Studienaufbau. Für ein Gesangsstudium sehe ich als Priorität 1 den Gesangsprofessor, als Priorität 2 den Aufbau, und dann erst den Rest (gefällt mir die Stadt, ist es zu weit weg von zu Hause usw.). Dies finde ich vor allem für den Bachelor extrem wichtig, da dort der Gesangsunterricht absolut an erster Stelle steht.

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